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Blinde Tunnel

Sonja und Daniel hatten ein Haus in Schweden, nähe Stockholm, und haben gemerkt, dass, nachdem die Kinder alle ausgezogen waren, irgendwie in ihrer Ehe die Luft raus war. Daniel war schon länger dabei, die Annoncen durchzusehen, ob es nicht schöne Wochenendhäuser auf dem Land gibt. Er war sich sicher, dass ihm die Landluft gut tun würde. Erst überlegt er, ob sie sich nicht in Spanien, in seiner alte Heimat, ein Haus suchen sollten. Daniel ist auf eine Annonce gestoßen, in der der Verkauf eines Weingutes in Böhmen angepriesen wurde. Es sei nur eine gute Stunde von Prag und weniger als zwei Stunden von Berlin entfernt. Sonja war sich zwar nicht sicher, denn sie kennen sich mit Wein nicht aus und das Weingut liegt in den ehemaligen Oststaaten. Trotzdem dauerte es nicht mehr lange und die beiden haben ihr Haus verkauft und sind mit Sack und Pack in das Weingut eingezogen. Es ist ein sehr heruntergekommenes Haus, in das Daniel noch sehr viel Arbeit stecken muss. Dennoch ist Daniel voller Elan, damit sie ein gemütliches Zuhause haben.
Sonja ist morgens gerne unterwegs und nimmt auch ein kleines Frühstück im Ort ein. Sie will die Leute kennenlernen, obwohl es noch einige sprachliche Schwierigkeiten gibt. Eines morgens sitzt eine hübsch gekleidete Frau beim Frühstück, die sofort ein Gespräch mit Sonja sucht. Sie unterhalten sich sehr gut, aber irgendwie kam ihr diese Frau komisch vor. Sonja geht davon aus, dass diese Frau sicherlich irgendeine Immobilienmaklerin ist, denn sie fragt sie über die Gegend aus und warum Sonja hier wohnt.
Sonja und Daniel sehen sich ihr Anwesen genauer an, da sie herausfinden wollen, ob ihr Haus einen Weinkeller hat, wenn es schon Teil eines Weinguts ist. Sie stoßen auf einen großen Raum, wo sie sehr viele Weinflaschen finden, die schon sehr alt sind. Ob das schon als Weinkeller zählt?
Eines Tages steht ein alter Mann vor ihrer Tür, der das Paar fragt, ob sie Hilfe im Garten gebrauchen können, denn schon sein Vater hätte auf dem Weingut gearbeitet. Hilfe können sie sicher gebrauchen, denn der Garten ist schon sehr heruntergekommen und verwildert. Der alte Mann nennt sich Jan Kahuda und mit ihm sieht sich Sonja das Weingut genauer an und durchforscht alle Räume. Im Keller finden sie einen weiteren Raum, der sehr versteckt ist. Dort stellen sie voller Entsetzen fest, dass dort schon sehr lange die Leiche eines Kindes liegt. Sie rufen die Polizei, aber irgendwie will die sich nicht so sehr darum kümmern, wie das Kind zu Tode kam oder was eigentlich damals genau auf dem Weingut passiert ist.
Sonja fährt für eine Nacht nach Berlin, da sie noch Spiegel und sonstige Kleinigkeiten bei IKEA einkaufen möchte. Daniel weiß aber nicht, dass sie sich dort mit jemanden trifft und die Nacht mit ihm verbringt. Als Sonja am nächsten Tag wieder nach Hause kommt, steht schon die Polizei vor der Tür, die Daniel abführt. Sonja weiß gar nicht, was da eigentlich los ist, und so erfährt sie von der Polizei, dass eine Frau an einem Baum auf ihrem Weingut tot aufgefunden wurde. Sonja kann sich daran erinnern, dass es die Frau war, die sie vor ein paar Tagen beim Frühstück ausgefragt hat. Sie will mehr über diese Frau erfahren, startet eigene Recherchen über sie und kommt darauf, dass deren Vorfahren aus dieser Gegend stammten und aus diesem Haus vertrieben wurden. Sonja versucht alles, damit Daniel wieder aus der Haft freikommt und stellt daher eigene Untersuchungen an. Dabei gräbt sie tief in der Vergangenheit des Weinguts und in den Wirren der Nachkriegszeit.

Nach der Eira-Sjödin-Trilogie, mit der die Autorin Tove Alsterdal einen weltweiten Sensationserfolg erzielt hat, ist dies nun ein Kriminalroman, der sich in Böhmen abspielt. Er soll die Lage der Schlesier nach dem zweiten Weltkrieg genauer beleuchten.

„Blinde Tunnel“ beginnt sehr langsam, so dass ich anfangs überhaupt nicht wusste, wohin der Roman mit mir will und wann die Geschichte greifbarer wird, weil so viele Nebengeschichten erzählt werden. Für diejenigen, die sich nicht so genau mit der Geschichte nach dem Zweiten Weltkrieg befasst haben, ist es sehr interessant zu lesen, was damals nach Kriegsende mit den Schlesiern passierte und wie sie damals in ihrer eigenen Heimat gedemütigt und schließlich vertrieben wurden. Alsterdal nimmt sich auch hierfür viel Zeit und schildert die Geschichte um die verschiedenen Personen der Handlung sehr düster und dunkel, dass man beim Lesen ein seltsam beklemmendes Gefühl bekommen kann.
Mit der spannungsgeladenen Eira-Sjördin-Trilogie kann „Blinde Tunnel“ nicht mithalten, und wer einen ähnlichen Kriminalroman erwartet, wird sicherlich enttäuscht sein. Dennoch ist das neue Buch der schwedischen Autorin spannende Unterhaltung, wenn man sich erst einmal durch den Anfang der Geschichte gearbeitet hat.

Gudrun Loher
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