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Der Junge muss an die frische Luft

Bekannt ist Hape (eigentlich Hans-Peter) Kerkeling der Fernsehnation schon lange. Bereits als Teenager durfte er erste Erfahrungen im grellen Licht der Show-Bühne sammeln, seine Shows und Sendungen waren beliebt bei Zuschauern und Kritik. In seiner Rolle als niederländische Königin Beatrix schaffte er es sogar in die "Tagesschau". Mit Preisen und Auszeichnungen wurde er über die Jahre überhäuft. So hat es niemanden verwundert, als ihm angetragen wurde, das ZDF-Flagschiff "Wetten, dass...?" von Thomas Gottschalk zu übernehmen. Überrascht hat dabei eher, dass er das Angebot abgelehnt hat. Sogar zwei Mal. Seine Kunstfiguren, darunter Hannilein, Uschi Blum und nicht zuletzt Horst Schlämmer, haben längst Kult-Status erreicht, die CD zu "Hurz!" ging weg wie warme Semmeln und auch seine Kinofilme feierten große Erfolge. Sein erster Kinofilm, "Kein Pardon", wurde gar als Musical umgesetzt. So eine Karriere ist kaum zu steigern, oder?
2006 erschien sein erstes Buch, "Ich bin dann mal weg", in dem er von seiner Wanderung auf dem Jakobsweg erzählt, das sich millionenfach verkaufte und in 16 Sprachen übersetzt wurde. Seine selbst eingesungene Schlager-CD "Ich lasse mir das Singen nicht verbieten" verkaufte sich nicht nur an Fans.
Doch wer ist dieser "Hape" wirklich? Wer ist dieser rundherum begabte Entertainer aus dem Ruhrpott, und wie ist er, Sohn eines Tischlers und einer Floristin, überhaupt im Fernsehen gelandet?

"Der Junge muss an die frische Luft", ein Satz, den Kerkeling seiner Groß-Tante zuschiebt, ist der Titel seines neuen Buches, in dem er erstmals seine Kindheit und Jugend beschreibt, aber auch das, was er als Star erlebt und was ihn tief berührt hat. Er erzählt von seiner unbeschwerten Kindheit als recht dickes Kind, von seiner lauten und lustigen Familie, von der Shiloh Ranch in der Stadt, den Ausflügen mit den Großeltern, den Kindern aus der Straße und seinem Berufswunsch, zum Fernsehen zu gehen, den er schon als Kind geäußert hatte, aber damals noch nicht ernst genommen wurde. Gleichzeitig erzählt er aber auch traurige Geschichten, die ihn sehr berührt und verändert haben, vom Tod seiner Großmutter und dem Selbstmord seiner depressiven Mutter als er erst acht Jahre alt war, und seiner ersten Reise für die AIDS-Stiftung nach Afrika, von seiner Begegnung mit einem todkranken Mädchen und seiner körperlichen und seelischen Erschöpfung, aber auch über seinen Glauben.
Auf 320 Seiten schreibt Hape Kerkeling von den Seiten seines Lebens, die nichts mit dem grellen Scheinwerferlicht zu tun haben, und er schreibt genau so, wie er es auch persönlich im Fernsehen oder im Radio erzählen würde, geradeaus und ungeschminkt, nachdenklich und stellenweise etwas ratlos.

Mit "Der Junge muss an die frische Luft" hat Hape Kerkeling, der am 9. Dezember seinen 50. Geburtstag feiert, ein recht stilles Buch geschrieben, weit entfernt vom Krawall und dem Lärm seiner Kunstfiguren. Herausgekommen ist eine Biographie, die man nicht erwartet hat, die aber trotz der ernsten Themen, über die er schreibt, leicht zu lesen ist und dennoch lange Zeit nachhallt. Dieses Buch gibt dem Leser sehr private Einblicke in das Leben des höchst kreativen Ausnahmekünstlers, macht den Menschen Hans-Peter Kerkeling erst komplett, und nach dessen Lektüre werden manche seiner Entscheidungen nachvollziehbarer. Für ihn ist es auch selbstverständlich, dass zehn Prozent seines Honorars an die Deutsche AIDS-Hilfe geht. Alles zusammen macht ihn seine Biographie nur noch liebenswerter, eben zu "unseren" Hape.

Das Buch bildet einen schönen Abschluss seiner herausragenden und überaus erfolgreichen Karriere, denn zu seinem runden Geburtstag möchte sie beenden.

Pascal May
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