Eine pikante Mischung aus der Fernsehserie „Desperate Housewives“ und dem Roman „1984“ von George Orwell findet der Leser in dem Roman „Frischluftkultur“ von Kirsten Rick wieder. Egal, ob man in einer Großstadt oder in einem Dorf lebt, wie oft ertappt sich der Einzelne dabei über seinen lieben Nachbarn unbewusst zu recherchieren und sei es nur über die ganz alltäglichen Gewohnheiten, wann die Nachbarn das Haus verlassen oder den Müll zur Tonne bringen. Kirsten Rick verarbeitet in ihrem Roman diese „Kleinigkeiten“ mit einem Hauch von Sarkasmus und einer kräftigen Portion Humor.
Auf einer „Putzparty“ lernen sich die bis dahin nur oberflächlich miteinander bekannten Frauen Marlies, Petra, Tina und Hanna, die irgendwo in Deutschland in einem kleinen Dorf leben, näher kennen. Diese Party wurde von Edith, einer Mitarbeiterin der mysteriösen Frau von Gravenberg, angezettelt. Edith selbst hat den Auftrag, die vier Frauen als eine Art von Agentinnen dazu zu bringen, delikate Details aus dem Leben der übrigen Dorfbewohner in Erfahrung zu bringen, ohne jedoch mitzubekommen, dass sie nur ausgenutzt werden. Um ihren Auftrag zu erfüllen greift Edith zu äußerst unkonventionellen Methoden, unter anderem enthalten die Putzmittel, die Edith auf der Party vertreibt, ein Wahrheitsserum und diverse andere euphorisierende Mittelchen, die aus den Frauen ungeahnte Geheimnisse entlocken. So werden Marlies, Petra, Tina und Hanna, die jede auf ihre Art in ihrem Alltag Außenseiterinnen sind, eher unfreiwillig dicke Freundinnen. Edith manipuliert die Frauen mit der Zeit soweit, dass sie sogar via moderne Spionagemittel, die von der Webcam bis zum Laptop reichen, sämtliche Dorfbewohner auskundschaften und schnell über ihre Mitbürger informiert sind.
Bald entwickelt sich jedoch aus dem von Edith geplanten Vorhaben eine gewisse Eigendynamik, die schüchterne Marlies beginnt einen Roman über das Dorf zu schreiben, dessen Veröffentlichung bei den Dorfbewohnern auf wenig Gegenliebe stößt, da sich fast jeder Bewohner in dem Buch wieder findet. Weiterhin versuchen sich die Vier als Stifter von Beziehungen und bringen so Bewegung in das bisher ruhige Dorfleben. Immer wieder haben die Frauen das Gefühl, dass Edith nicht in ihr Leben passt, aber sie bekommen nicht heraus, was mit Edith nicht stimmt. Bis zu einer Jungessellenversteigerung, bei der die Geschichte ihre Wendung erfährt und die wahren Motive der Frau von Gravenberg zum Vorschein kommen.
„Frischluftkur“ ist ein herzerfrischender Roman, bei dem man sich als Leser nur allzu gerne vorstellt, was passieren würde, wenn man selbst in der Lage wäre, seine Mitmenschen auf die im Roman beschriebene Art und Weise zu beobachten. Kurzweilig wird man durch mehrere eingestreute Einzelschicksale unterhalten, eine wirklich gelungene Beschreibung einer typischen Dorfmentalität. Wer bereits das Erstlingswerk „Schlüsselfertig“ von Kirsten Rick kennt, wird an „Frischluftkultur“ auf keinen Fall vorbei kommen.
"Frischluftkur", Kirsten Rick; 336 Seiten; Verlag Droemer/Knaur; 7,95 Euro.