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nichts gegen blasen

Das Leben kann verrückt sein. Kaum aber so anarchistisch wie es bei Jacinta zugeht. Ihre verrückte Familie lebt in England und sie im Chaos in Berlin. Vom transsexuellen ehemaligen Stiefvater über eine behinderte Mutter, einen Sohn aus erster Ehe bis hin zur Trennung von ihrem Freund wird alles geboten. In diesem einen Jahr, mit vielen Tränen, der Diagnose von Multiple Sklerose ihrer Mutter, der Umwandlung zur Frau ihres ehemaligen Stiefvaters, der doch längeren Trauer ihres Sohnes Lenny um den Verlust von Peter, ihrem Exfreund, hat sie zum Schreiben mancher böser SMS animiert und noch mehr zum übermäßigen Weinkonsum. Aber auch jede Menge Liebhaber, ob Mann oder Frau, waren Teil der Zeit. Von der Findung ihres G-Punktes über das Anlegen eines lustig feministischen Profils bei OkCupid, der Wiederentdeckung alter Freundschaften bis hin zur Rückkehr ins Leben mit all seinen verfickt schönen Facetten. Alles wird ungeschönt erzählt, über den Alltag von alleinerziehender Frauen bis hin zu selbstzufriedenen Sozialarbeiterinnen im Frauenhaus.

In Ost-London 1980 geboren, kam Jacinta Nandi im Alter von zwanzig Jahren nach Berlin. Als Amok-Mama schreibt sie eine Kolumne für das englischsprachige Stadtmagazin „Exberliner“. Sie ist Mitglied der Lesebühnen „Rakete 2000“ sowie „Die Surfpoeten“ und schreibt in der „taz“ den Blog „Riotmama“.

Jacinta Nandi schlägt in ihrem Buch „nichts gegen blasen“ absichtlich einen eher provokativ derb vulgären Schreibstil ein, der das berüchtigte „F-Wort“ in häufigem Masse vorkommen lässt. Auf ironische Weise, durchaus bewusst überzogen, schildert sie ungeschönt Jacintas Alltagsleben temporeich und pointiert. Als geborene Engländerin ist hier auch der typisch schwarze britische Humor deutlich zu sehen und findbar. Ihre Suche nach der wundersamen Normalität wird zur Farce und nie erreicht, egal welche gesellschaftlichen neumodischen Klischees sie auch versucht. Allerdings wird diese Form der Darstellung nicht jedermanns Geschmack treffen.

Wer etwas Skurriles vielleicht ein wenig „durchgeknalltes“ Lesen will, ist hier völlig richtig, der eher konservative Leser wird sich in dieser Geschichte nicht unbedingt wohlfühlen.

Michael Müller