"Die Amerikaner brauchen jemanden, den sie lieben können. Und jemanden, den sie hassen." So nüchtern fasst die ehemalige Eiskunstläuferin Tonya Harding ihre Situation zusammen. Dabei hatte sie alles, was einen amerikanischen Star ausmacht. Zumindest fast. Die Independent-Produktion "I, Tonya" zeigt die Geschichte der Eiskunstlauf-Begabung genau nach, und ist nun auch für das Heimkino verfügbar.
Bereits im zarten Alter von drei Jahren lief die kleine Tonya auf dem Eis, ein Jahr später räumte sie schon erste Titel ab. Ihre Mutter LaVona, Alkoholikerin und Kettenraucherin, steckte jeden Dollar in die Karriere ihrer Tochter, hat sie aber nie geliebt. Tonya sollte einfach nur erfolgreich sein und Geld einbringen.
Im Teenageralter lernt sie ihren späteren Mann Jeff kennen, der sie ständig schlägt und sogar auf sie schießt. In den Eiskunstlauf- Wettbewerben kann sie nicht gewinnen, weil den Schiedsrichtern das Gesamtpaket der "sauberen amerikanischen Familie" fehlt. Zwar hat Tonya Harding den amerikanischen Traum erlebt, als sie von ganz unten kam und es bis zu den Olympischen Spielen geschafft hatte, doch ihr soziales Umfeld war alles andere als vorzeigbar, und so wurde sie in den Wertungen immer übergangen. Dennoch schaffte es Harding, 1992 zu den Olympischen Winterspielen nach Albertville zu fahren, konnte aber nur den undankbaren vierten Platz erreichen. Zwei Jahre später sollten erneut Olympische Winterspiele stattfinden, an denen Tonya teilnehmen sollte. Im Vorfeld musste sie sich aber noch gegen ihre Konkurrentin Nancy Kerrigan bei den US-amerikanischen Meisterschaften durchsetzen. Dabei wurde Kerrygan von einem Unbekannten das Knie mit einer Eisenstange derart verletzt, dass sie die Meisterschaft nicht fortsetzen konnte und somit Harding gewann. Eine Verbindung zu Harding konnte zunächst nicht gefunden werden, die Medien sahen die frisch gekürte Meisterin immer schon als Auftraggeberin. Aufgrund ihrer Anmut und ihrem perfekten Zuhause wurde Nancy Kerrygan als Einsprinzessin, Tonya Harding wegen ihrer Herkunft, ihrer Musikauswahl und der unpassenden Kostüme als Eishexe betitelt. Vor Gericht erzwang die "Eishexe" ihre Teilnahme an Olympia 1994 in Lillehammer, konnte aber nur den achten Platz erreichen.
Der Film liegt auf BluRay in der deutschen und englischen Sprachfassung (DTS-HD Master Audio 5.1) vor. An Extras finden sich auf der blauen Scheibe lediglich ein Making Of.
Eigentlich hätte die Geschichte von Tonya Harding genau dem entsprochen, was die Amerikaner so lieben. Da schafft es ein armes Mädchen durch harte Arbeit und zähes Training bis ganz an die Spitze und schreibt sogar Geschichte: Als erste Amerikanerin vollzog Tonya innerhalb eines Wettbewerbs gleich zwei der sogenannten Dreifach-Axel, einem der anspruchsvollsten Sprünge im Eiskunstlauf. Doch es fehlte ihr schlichtweg das "Darling-Gen", und so blieb ihr nur die Rolle der Eishexe, die sie jedoch mit großer Leidenschaft auslebte. Sie war alles andere als anmutig, ließ sich ihren schlechten Geschmack wie auch das Rauchen nicht ausreden und war Abschaum, "white trash". Zu einem solchen Disaster sollten junge Mädchen nicht aufsehen.
Ihr Name wird zudem für alle Zeiten mit dem schlecht geplanten und 1994 stümperhaft durchgeführten Attentat auf ihre Konkurrentin Nancy Kerrigan in Verbindung bleiben, das ihre Erzrivalin trainingsunfähig machen und Tonya den Sieg in den amerikanischen Meisterschaften sichern sollte.
Zutaten für einen großartigen Film, der den Zuschauer immer wieder sprachlos zurück lässt. Da ist Tonya selbst, herausragend gespielt von Margot Robbie, die für ihre Rolle für einen Oscar nominiert wurde, die nur tut, was sie will und sich auf keinen Fall anpassen möchte. Ihr gewalttätiger und recht einfach gestrickter Ehemann Jeff, der dubiose Freundschaften pflegte, war zusätzlich fatal für ihre Karriere. Und ihre Mutter LaVona, die Rolle, die Allison Janney den Oscar einbrachte, hat sie nie geliebt, nur unter Druck gesetzt und wollte sie am liebsten scheitern sehen.
Mit reichlich schwarzem Humor versehen wird in "I, Tonya" die tragische Geschichte einer jungen Frau erzählt, die eigentlich eine amerikanische Heldin sein wollte und sollte, und kläglich als Eishexe geendet ist. Am Ende wurde sie wegen Behinderung der Ermittlung zu einer Bewährungs- und Geldstrafe verurteilt. Was sie jedoch am meisten traf, war die lebenslange Sperre für jegliche Eiskunstlaufmeisterschaften.
Der weitere Absturz einer tragischen Heldin war damit vorprogrammiert und nicht mehr aufzuhalten. Und auch das zeigt "I, Tonya".
In diesem Film gibt es keine Geschichte einer Prinzessin oder eines hässlichen Entleins, das zu einem schönen Schwan wird. Es ist die Geschichte eines großen Eistanz-Talents, das nie als solches gesehen wurde. Es ist die Geschichte um Tonya Harding, die nie eine Chance zum Aufstieg hatte und sehr viel Wut in sich aufgestaut hat. Es ist die Geschichte einer Hexe, die man niemals seinen Kindern als Vorbild geben würde.
Eine sehr tragische Geschichte mit einem großen Talent, mit dem man am Ende nur Mitleid empfinden kann.
Insgesamt ist "I, Tonya" erschreckend sehenswert, weil die ganze Geschichte der späteren "Eishexe" im Detail erzählt und bemerkenswert herausragend gespielt wird. Ganz großes Kino, das deutlich mehr Beachtung verdient hat!
USA 2017, 120 Minuten
mit Margot Robbie, Allison Janney, Sebastian Stan