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Lovelace

Spielfilme über das Porno-Milieu kommen immer wieder auf, und einigen gelingt es dabei, nicht schlüpfrig zu werden. Ein Beispiel hierfür ist zweifellos "Boogie Nights", der Aufstieg und Fall eines jungen US-Porno-Darstellers zeichnet. Mitgewirkt haben in diesem Streifen unter anderem Mark Wahlberg, Heather Graham, Julianne Moore und Burt Reynolds. Damit war der Film nicht nur prominent besetzt, Moore und Reynolds waren für ihre Rollen gar für den Oscar nominiert.
Ein neueres Beispiel ist "Lovelace". Bei den Film Festivals in Sundance, Berlin und Cannes 2013 wurde der Film gezeigt, der den kurzen Ruhm der Porno-Darstellerin Linda Lovelace erzählt. Sie wurde 1972 mit dem Film "Deep Throat" weltberühmt, der aufgrund seines riesigen Erfolgs den Porno salonfähig machte und die sexuelle Revolution lostritt.

Anfang der 70er Jahre lebt die 21jährige Linda noch bei ihren streng religiösen Eltern. Als sie mit ihrer besten Freundin ausgeht, trifft sie Chuck, ein halbsaidiger Typ, der sie magisch anzieht. Schon bald werden sie ein Paar, ziehen zusammen und heiraten. Fortan genießen sie die aufregenden Seiten des Lebens mit Partys, Drogen und Alkohol, die Linda bisher nicht kannte, und sie genießt ihre neue Freiheit. Chuck erfindet Linda's "sensationelle Begabung zum Oralverkehr" und bringt sie zum Film. Naiv und unerfahren dreht sie mit "Deep Throat" ihren ersten Pornofilm, der sie über Nacht zu einem gefeierten Star und Medien-Darling macht.
Während die erste Hälfte des Film ihren glamourösen Aufstieg zur Porno-Queen erzählt, zeigt die zweite Hälfte die Schattenseiten ihres neuen Lebens: ihr tyrannischer Ehemann und Manager Chuck, der Alkohol und Drogen sehr zugeneigt ist, der sie schlägt und missbraucht; ihre Eltern, die sich von ihr abwenden, nachdem sie weltberühmt wurde; die dunkle, ausbeuterische Seite der Sexindustrie. Letztendlich trennt sie sich von ihrem Mann, und entschließt sich dazu, ihre Erlebnisse in einem Buch zu verarbeiten, weil sie aus ihrer Biographie "einiges richtig stellen" möchte.

Der Film liegt in der deutschen und englischen Sprachfassung (Dolby Digital 5.1) vor, an Bonus-Material gibt es ein Making Of, einen Blick "Hinter den Kulissen", ein Featurette, eine Leseprobe aus dem Buch "Linda Lovelace - Ich packe aus!" sowie die gesamte Pressekonferenz anlässlich der Berlinale 2013 zu sehen.

Im Gegensatz zu "Inside Deep Throat", einem Dokumentarfilm über den Hype rund um "Deep Throat", erzählt "Lovelace" vor allem die Geschichte der privaten Linda Boreman, wie sie mit bürgerlichem Namen heißt. Amanda Seyfried, bisher eher für klinisch saubere und unschuldige Rollen bekannt, bietet eine herausragende Darstellung der Hauptfigur, und wurde zu recht auf den Filmfestivals weltweit für ihre Performance gefeiert. Mit Peter Sarsgaard, Robert Patrick, Eric Roberts, James Franco, Chloe Sevigny und Sharon Stone ist "Lovelace" sehr prominent bis in die Nebenrollen besetzt.
"Lovelace" erzählt unaufgeregt vom Leben der Linda Lovelace, ohne dabei schmuddelig zu werden oder den mahnenden Zeigefinger zu erheben. Wer einen voyeuristischen Blick ins Porno-Milieu erhofft, wird hier enttäuscht, denn die Regisseure Rob Epstein und Jeffrey Friedman waren sehr bedacht, viele Details im Film nur anzudeuten. 40 Jahre nach dem Sensationserfolg von "Deep Throat" wollten sie vor allem einen privaten Blick auf das Leben der Linda werfen, was ihnen auch bestens gelungen ist. Fans von Biopics werden diesen Film mit Genuss sehen.

Übrigens beliefen sich 1972 die Produktionskosten zu "Deep Throat" auf 25.000 Dollar, wobei der Film 600 Millionen Dollar eingespielt haben soll, und damit die erfolgreichste Produktion aller Zeiten wurde. Die Hauptdarstellerin Linda Lovelace erhielt eine einmalige Gage von lediglich 1.250 Dollar!

Pascal May