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Schneemann

Thriller und Krimis aus Skandinavien garantieren spannende Unterhaltung mit irren Wendungen, die kaum vorher zu sehen sind. Die bekanntesten Vertreter der Autorenzunft rund um den Nord-Krimi sind der Däne Jussi Adler-Olsen und der Norweger Jo Nesbo, die mit ihren Büchern weltweit Millionenauflagen vorweisen können. Kein Wunder, wenn ihre Werke gerne als Vorlagen für das Kino dienen und weitgehend werkstreu umgesetzt werden. Nun wurde "Schneemann" verfilmt, dessen Romanvorlage von Jo Nesbo bereits 2007 erschien, und liegt für das Heimkino vor.

Im norwegischen Winter muss ein Junge mit ansehen, wie dessen Mutter in ihrem Auto im Eis einbricht und stirbt. Jahre später ereignen sich im ersten Schnee des Winters abartige Mordfälle, in denen Kommissar Harry Hole ermittelt. Vom Leben und vom Alkohol gezeichnet und deswegen unter besonderer Beobachtung seiner Vorgesetzten, wird ihm eine junge, ehrgeizige und brillante Beamtin zur Seite gestellt. Zunächst ermitteln die beiden in einem Vermisstenfall, doch schon bald stellen sich Morde ein. Jedes Mal finden sie einen Schneemann in der Nähe der Tatorte, und immer wieder befinden sich dort auch Kaffeebohnen. Harry reißt sich zusammen, um den Mörder zu finden, bei dem es sich um einen nie gefassten Serienkiller zu handeln scheint. Alte Fälle werden wieder ausgegraben, die ihn immer tiefer in die perfide Welt des Mörders führen. Dazu kümmert er sich um seine schöne Ex-Frau, die längst in einer neuen Beziehung lebt, und deren Sohn, was sein Leben nicht einfacher werden lässt.

Der Film liegt auf BluRay in der deutschen und englischen Sprachfassung vor. An Extras finden sich verschiedene Featurettes.

Ursprünglich sollte Martin Scorcese bei "Schneemann" Regie führen, überließ diese aber dem schwedischen Regisseur Tomas Alfredson, der bereits mit seiner Verfilmung von "König, Dame, As, Spion" für Aufsehen sorgte. Scorcese blieb dem Film aber soweit verbunden, als dass er als Produzent des Thrillers auftritt. Der Film basiert auf Jo Nesbos erfolgreichem Bestseller mit gleichem Namen, und stellt die erste Verfilmung der Harry Hole-Reihe dar.

Regisseur und Produzent haben mit der "Schneemann"-Verfilmung viel gewollt, denn die Roman-Vorlage hätte einiges zu bieten gehabt. Ein Hammer-Thriller aus Norwegen sollte es werden, zumindest wurde an den Schauplätzen aus den Büchern gedreht. Trotzdem haben sie es geschafft, den Film fast gänzlich Norwegen zu entreißen, und so internationalisiert, dass fast alle Hinweise auf das Nordland fehlen und somit sämtliches Lokalkolorit fehlt. So kommt es, dass am Ende "Schneemann" nur noch irgendwo im Schnee spielt. Die Morde werden explizit dargestellt, Details der Grausamkeiten groß und ausführlich gezeigt, was der Handlung nicht dient sondern nur die Erwartungen der Splatter-Fans befriedigt. Die Handlung entwickelt sich mitunter recht diffus mit logischen Brüchen, was in keinem Fall der Roman-Vorlage gerecht wird.

Die Besetzung in "Schneemann" lässt kaum cineastische Wünsche offen, was bei diesem Film sehr verwundert, denn die größten Namen haben die kleinsten Rollen. So wird der alkoholkranke Ermittler Harry vom irischen Mimen Michael Fassbender gespielt, mit ihm zusammen fahndet die schwedische Golden Globe-Gewinnerin Rebecca Ferguson. Selbst die Nebenrollen sind mit ausgezeichneten Schauspielern besetzt, darunter Oscar-Preisträger J. K. Simmons, die in Cannes ausgezeichnete Charlotte Gainsbourg, die für den Oscar Nominierte Chloe Sevigny wie auch die britischen Darsteller Toby Jones und James D'Arcy oder der US-amerikanische ehemalige Schönling Val Kilmer, der kaum noch wiederzuerkennen ist. Doch auch diese hervorragende Darsteller-Riege kann nicht über die Schwächen im Drehbuch hinwegtäuschen, denn daraus können keine großen darstellerischen Leistungen herausgeholt werden.

So bleibt am Ende nicht der weltweit angekündigte herausragende internationale Kino-Thriller mit Starbesetzung sondern nur ein knapp zweistündiges laues Krimi-Lüftchen, das den Zuschauer mit etwas Schnee aus nördlicher Richtung umweht. Diese Zeit kann man damit besser nutzen, indem man selbst nach draußen geht, um einen Schneemann zu bauen. Dazu aber die Kaffeebohnen nicht vergessen!

Pascal May
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