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The Circle

Wie gläsern sind wir inzwischen? Wieviel wissen die großen Konzerne über uns, wenn wir uns in den sozialen Medien oder überhaupt im Internet bewegen? Was machen die großen Konzerne überhaupt mit unseren Daten und wohin geht die Datenreise noch? Der US-amerikanische Autor Dave Eggers hat bereits 2013 mit seinem dystopischen Roman "Circle" für Aufsehen gesorgt, der dann auch weltweit ein Bestseller war. Kein Wunder, dass die Verfilmung dieses brisanten Stoffes nicht lange auf sich warten ließ, und so ist "The Circle" nun auch für das Heimkino verfügbar.

Die junge Mae Holland hat ihren College-Abschluss in der Tasche und wünscht sich nichts mehr, als bei "Circle", einem mächtigen Internet-Konzern, zu arbeiten. Ihre Anstellung verdankt sie ihrer besten Freundin Annie, mit der sie im College ein Zimmer geteilt hat. Die gehört inzwischen in der Firma zu den 40 Entscheidern, und reist für ihren Beruf ständig um die Welt. Mae beginnt ihre Karriere bei dem IT-Riesen in der Kundenbetreuung und steigt schnell in der Hierarchie auf, was an ihren überdurchschnittlichen Fähigkeiten und ihrer ausgeprägten Empathiefähigkeit liegt. Die junge College-Absolventin ist begeistert von ihrem Arbeitgeber und dessen zahlreichen Annehmlichkeiten, selbst als sie feststellen muss, dass der über weit mehr ihrer Daten verfügt als sie preisgegeben hat. Als eine neue Technik, "SeeChange" eingeführt wird, ist sie als eine der ersten mit dabei, um eine totale Transparenz aufzuzeigen, indem sie mittels einer kleinen Kamera alle ihre Follower an ihrem vollständigen Leben teilhaben lässt. Die können zu jeder Zeit jeden von Maes Schritten online kommentieren. Insbesondere die Vorteile, die diese neue Technik für eine funktionierende Demokratie mit sich bringen sollen, beeindruckt sie sehr, denn damit sollen auch alle Schritte der Politiker gläsern werden. Fortan propagiert sie Statements wie "Geheimnisse sind Lügen" oder "Privatsphäre ist Diebstahl". Das Zuhause ihrer Eltern wird mit vielen kleinen Kameras bestückt, im Gegenzug dazu wird ihr an Multiple Sklerose erkrankter Vater rund um die Uhr von firmeneigenen Ärzten beobachtet und dessen Krankendaten ausgewertet. Da es dem Vater bald besser geht, verzichtet die ganze Familie gerne auf jegliche Privatsphäre, dieser Preis scheint ihnen im Vergleich zu einem besseren Leben sehr gering zu sein. Doch nicht nur die müssen nun auf jede Intimsphäre verzichten, auch ihr Umfeld erlebt die negativen Seiten dieser totalen Überwachung. Dennoch entwickelt Mae neue Ideen für ihren Arbeitgeber, darunter die Forderung, dass jeder Mensch einen "Circle"-Account haben muss, um am alltäglichen Leben teilhaben zu können. Somit stünden dem Unternehmen sämtliche Daten aller Einwohner zur Verfügung, womit ihre Macht nur noch größer würde. Der "Circle" muss gestoppt werden, um nicht noch mehr Schaden anzurichten.

Der Film liegt auf Bluray in der deutschen und englischen Sprachfassung (DTS-HD 5.1 Master Audio) vor. An Extras finden sich lediglich drei Trailer sowie Interviews mit Stab und Besetzung.

"The Circle" lebt vor allem von seiner Hauptdarstellerin Emma Watson, die sich längst von ihrer weltbekannten Rolle der Hermine aus den Harry Potter-Filmen emanzipiert hat. Bewegend spielt auch Karen Gillan, die weltweit durch ihre Rolle in der "Doctor Who"-Reihe bekannt wurde. Oscar-Preisträger Tom Hanks als Firmenboss wie auch der im geheimen arbeitende Ty, gespielt von John Boyega, bleiben dagegen sehr blass bis unauffällig.
Die Story wird flott erzählt, der Film ist rasant inszeniert, wobei die vielen Einblendungen aus den sozialen Medien so schnell durch das Bild fliegen, dass man nur wenige davon aufschnappen und lesen kann, und mitunter von der Handlung ablenken. Dabei sind wirklich schöne, lustige, aber auch dramatische Nachrichten dabei, die ob der Fülle einfach von der Datenkrake "Circle" ignoriert werden. Zumindest scheinbar.

Die Firma in diesem Film, "Circle", wird als Zusammenschluss von Apple, Facebook, Google und Amazon dargestellt, den vier mächtigsten Unternehmen der realen Welt. Auf die Gefahren, die durch die Daten-Sammelwut dieser Firmen entstehen, wird immer wieder hingewiesen, aber schnell wieder abgetan. Die meisten Nutzer der sozialen Medien verschwenden keinen Gedanken daran, was eigentlich mit ihren Daten, Bildern und Videos passiert, obwohl auf den meisten Plattform gar eine Eigentumsübertragung stattfindet, ob und wo sie gespeichert und von wem sie gehortet und ausgewertet werden. Allgemeine Geschäftsbedingungen liest ohnehin keiner und stimmt mit einem schnellen Klick einfach zu, ohne zu wissen, was überhaupt zugestimmt wurde. Da wird auch schnell verdrängt, dass Facebook nur Nutzern ab 13 Jahren, WhatsApp lediglich Nutzern ab 18 Jahren zur Verfügung steht. Egal, schließlich möchte man sich nicht ausschließen lassen, wenn man nicht über diese Techniken verfügt. Ein Leben nach AGB wäre heutzutage undenkbar. Forderungen nach mehr Überwachungskameras auf öffentlichen Plätzen werden gerne mit dem Verweis auf den Datenschutz abgeschmettert, dabei wissen die großen IT-Unternehmen längst, wo wir uns bewegen, wie lange wir womit verbringen und mit wem wir uns treffen. Gläsern sind wir schon längst, es machen sich nur zu wenige Menschen Gedanken darüber. Dabei fällt gerne das Argument, man hätte ja nichts zu verbergen. Dabei legt kaum ein Mensch sein gesamtes Leben offen, ein paar Geheimnisse sollen schon noch bleiben, ob es nun ein Fetisch, garstige oder peinliche Vorlieben sind, von denen niemand erfahren soll. Dieser Widerspruch wird nur zu wenig erkannt.

"The Circle" greift vor allem die Macht der Unternehmen auf, die jetzt schon auf jede Menge unserer Daten zugreifen können, deren Macht- und Datenhunger aber längst nicht gestillt ist. Sie drängen nun, natürlich unter dem Deckmantel des weltweiten Nutzens für die Menschheit, auf den medizinischen Markt, und bieten Apps an, die das Wohlbefinden ihrer Nutzer analysieren und die vitalen Daten sammeln, um sie selbst zu sammeln und auszuwerten. Das kann weitreichende Folgen haben, denn nach einer Auswertung könnte es passieren, dass andere Unternehmen auf diese Daten zugreifen möchten und sie einfach kaufen. Krankenversicherungen können somit teurer werden, weil der Nutzer dieser App einen nachweisbar ungesunden Lebenswandel pflegt oder deutlich mehr wiegt als er angegeben hat. Ähnlich kann es mit Autoversicherungen gehen, wenn der Fahrer deutlich riskanter fährt als der Durchschnitt und sich wenig um Verkehrsregeln schert.

Dieser Film ist ein wichtiger Beitrag zur Situation vor allem der sozialen Netzwerke, der ganz klar die Gefahren aufzeigt, die entstehen können, wenn man sich allzu leichtgläubig in die Hände irgendwelcher Unternehmen begibt, und sich nicht weiter darum kümmert, was die mit unseren Daten machen. Eggers' Buch zeigt die Welt noch dramatischer auf, was auch den großen Erfolg seines Werkes ausmacht. Der Film hängt da etwas hinterher und geht zu wenig in die Tiefe. Vielleicht wären etwas mehr als 110 Minuten gut gewesen, um etwas tiefer in der hier gezeigten Blümchenwelt zu graben.
Schade nur, dass "The Circle" an den Kinokassen aufgrund seiner Konkurrenz aus dem leichten Fach eher stiefmütterlich behandelt und kaum gesehen wurde. Bleibt zu hoffen, dass ihm deutlich mehr Zuschauer im Heimkino beschert sein werden, denn diesem Thema kann sich niemand mehr entziehen, der das Internet nutzt.

Pascal May