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Weißbier im Blut

Nachdem vor einigen Jahren die Heimatkrimis in Deutschland immer populärer wurden, war es nur eine Frage der Zeit, bis die Geschichten um die meist schrulligen Ermittler aus der Region verfilmt würden. Manche Geschichten haben es ins Fernsehen geschafft, andere gar ins Kino. Prominentester und erfolgreichster Vertreter aus dieser Reihe ist neben Kluftinger natürlich Franz Eberhofer. Andere bayerische Ermittler mussten ausharren, doch nun hat es auch Kommissar Kreuzeder von der Mordkommission Passau erst ins Kino und nun auch ins Heimkino geschafft.

Es gibt einen Toten in der Scheune auf dem abgelegenen, hochverschuldeten Holznerhof, die Polizei geht von einem Mord aus, da der Tote im Mähwerk des Mähdreschers hängt. Kommissar Kreuzeder wird zum Tatort gerufen, doch erst genehmigt er sich noch vier Weißbier, sechs Schnäpse und einen Schweinsbraten. Nur sehr widerwillig macht sich der einst beste Kommissar Niederbayerns an den Fall, denn inzwischen verbringt Kreuzeder seine Zeit statt am Schreibtisch lieber im Wirtshaus, wo er so ganz nebenbei das Herz der üppigen Kellnerin Gerda Bichler erobert. Nebenbei zweifelt er am Schuldprinzip an sich und diskutiert mit dem Pfarrer über die Barmherzigkeit Jesu, Theologie und Moral.

Eindruck macht der Kreuzeder auch auf die Polizeipsychologin Frau Dr. März, die ihn auf seine Berufstauglichkeit überprüfen soll. Eine weitere Leiche später überträgt Kreuzeders Vorgesetzter, Kriminaloberrat Becker, den Fall endgültig an den jungen Kollegen Klotz. Das weckt den winzigen Rest Ehrgeiz des schrägen und stets stark alkoholisierten Ermittler mit der unkonventionellen Berufsauffassung. Nun will er selbst die Todesfälle aufklären, und dazu muss er alle Register ziehen und sogar sein Erspartes einsetzen.

Der Film liegt auf BluRay in der deutschen Sprachfassung (DTS-HD MA 5.1) vor. An Extras finden sich auf der blauen Scheibe Interviews mit den Schauspielerinnen und Schauspielern sowie den Produzenten und dem Regisseur.

Der Autor der Romanvorlage Jörg Graser schrieb nicht nur das Drehbuch zum Film, er inszenierte ihn auch gleich noch selbst. Vielleicht hätte dem Film ein größerer Abstand zwischen Buch und Regie gut getan, denn man merkt dem Film an, dass der Regisseur zu tief in seinem eigenen Stoff steckt. Dadurch entsteht schnell der Eindruck, dass er sich kaum die Mühe macht, um seine Zuschauer an Stoff und Figuren heranzuführen.
Die Hauptfiguren sind handverlesen besetzt, und so spielt der Kabarettist Sigi Zimmerschied den abgewrackten Kommissar, die ausgezeichnete Theater-Mimin Brigitte Hobmeier die entrückte Psychologin Dr. Carmen März und Kabarettistin und ehemalige "Bavaria" Luise Kinseher die liebestolle Kellnerin Gerda. Für die anderen Protagonisten bleibt in dieser Geschichte kein Platz mehr. Der Vorgesetzte stört nur und nervt mit seinem Arbeitseifer, die Hofbewohner werden morbid, blutrünstig und vollkommen durchgedreht dargestellt, die Jugend als all ihren Hoffnungen genommen und vollkommen desillusioniert. So verkommen die Nebendarsteller nur noch zu entbehrlichen Stichwortgebern.

Vergleichen lässt sich "Weißbier im Blut" schon allein deswegen nicht mit anderen Krimi-Komödien, weil er nicht genau weiß, was er sein möchte: Für eine Komödie ist er zu unlustig und viel zu düster, für einen Krimi fehlt ihm komplett die Spannung, bliebe noch das Drama, aber selbst dazu kann sich der Film nicht durchringen.
Es bleibt ein grantelnder Kommissar, der, seit seine Frau mit einem anderen Mann abgehauen ist, mit seinem Leben und seinem Beruf erst Recht abgeschlossen hat, der ins Grübeln verfällt und nicht einmal mehr merkt, dass ihm die Kellnerin Gerda sehr eindeutige Avancen macht. Den Mordfall klärt er eher nebenher auf, aber das scheint ohnehin der Geschichte nur ihren Rahmen zu geben. Genauso gut hätte Kreuzeder auch Briefträger oder Bäcker sein können, der sein Elend seit Jahren in bemerkenswerten Mengen an Alkohol ertränkt und selbst die wenigen Menschen in seinem Umfeld, die ihm noch geblieben sind, nicht wahrnimmt.

Der Film hätte seine Chance beim Publikum haben können, denn es war der erste Titel, der zur Wiedereröffnung der Kinos nach dem Lockdown parat stand und am 01.07.2021 starten konnte. Aber es gibt nichts, was Lust an diesem Streifen machen könnte, abgesehen von der herausragenden Besetzung, von der man gefälligere Geschichten gewohnt ist.
Den Film als "typisch Niederbayern" zu bezeichnen, wäre zu kurz gegriffen, denn selbst dieser bayerische Regierungsbezirk kommt meist nur in düsteren Bildern daher, die auch sonstwo in einer ländlichen Gegend in Deutschland hätten gedreht werden können. Da können auch die sonnenbeschienenen Bilder von Passau keine Abhilfe leisten.

"Weißbier im Blut" sollte wohl an den großen Erfolg der Eberhofer-Krimis anknüpfen, die im Übrigen auch in Niederbayern spielen, doch dazu ist schon die Hauptfigur viel zu unsympathisch. Der Film ist weder Fisch noch Fleisch und unterhält zu wenig. Statt dessen philosophieren sich die Figur so durch den Film, rauchen ohne Ende und betrinken sich sehr umfangreich. Somit keine nette Samstag Abend-Unterhaltung, die man sich gerne ansieht. Schade, das Pulver wurde unnötig verschossen.

Pascal May
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