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Xanadu

Fernseh-Serien gibt es mehr als genug, und jeden Herbst kommen unzählige neue dazu. Viele davon schaffen es, fast unbemerkt wieder zu verschwinden, und ein paar wenige, die nicht die Macht der PR-Maschinerie hinter sich haben, sind es dennoch wert, bemerkt und gesehen zu werden. Eine davon ist zweifellos die französische Produktion „Xanadu“.
Wer den Titel nun mit der 80er Jahre Plastik-Pop-Welt rund um Olivia Newton-John und dem Electric Light Orchestra in Verbindung bringt, liegt in diesem Fall vollkommen falsch. In dieser Serie, produziert von Arte Frankreich, geht es um eine Familie aus dem Elsass, die im Film-Business arbeitet, jedoch in einer besonderen Sparte: dem Porno. Insgesamt 326 Hardcore-Filme hat Vater Alex Valadine mit seiner geliebten Frau Elise Jess gedreht, aber das war in den 80ern, als Pornos noch mehr verheimlichten als offenlegten, und zumindest über eine Rahmen-Handlung verfügten. In Zeiten von Smartphone und Digital-Kamera sprießen Konkurrenten aus allen Richtungen auf den Markt, die Konkurrenz wird härter und jeder versucht mit immer neuen Ideen den Markt zu erobern, nur der Porno-Dinosaurier Alex bleibt in dieser Entwicklung zurück und verweigert sich allem Neuen. Seine Kinder, zwei Söhne und eine Tochter, übernehmen die Firma und wollen moderner produzieren.
„Drei Schlampen, eine Matratze und eine Kamera“, so bringt es die Tochter des Patriarchen auf den Punkt. Ein Amok-Lauf bei der Eröffnung der Ausstellung über Elise Jess bringt einen der Söhne in ein Koma. Die Bilder seiner surrealen Träume stehen im krassen Gegensatz zur Arbeit seiner Geschwister, die sich zunächst an Musik-Videos und gestellten Porno-Videos für Pop- und Rap-Sternchen versuchen. Zu allem Überfluss wird Alex’ junge Freundin schwanger. Doch jetzt geht es erst los...
„Xanadu“ ist keineswegs ein voyeuristisches Stück Soft-Porno sondern eine tiefgründige, sehr gut und auf hohem Niveau erzählte kleine Serie, die ob des Themas und Milieus als ein sehr mutiger Schritt des deutsch-französischen Kultur-Senders gilt. Selbst bei Aufnahmen zu einem Porno, in denen die Akteure gerne unscharf gezeigt werden, wirkt die Serie nie billig. Hier und da mal ein nackter Busen oder ein blanker Hintern komplettieren nur die Darstellung der Umgebung dieser Branche auf eine sehr feine Weise. Die Altersfreigabe ab 16 Jahren lässt bereits vermuten, dass „Xanadu“ lediglich in der Hardcore-Branche spielt, aber selbst kein Porno ist.
Die erste Staffel beinhaltet acht Folgen zu 50 Minuten, die aufgrund der Erzählweise Lust machen, dran zu bleiben. Neben dem französischen Original (Dolby Digital 2.0) liegt die Serie auch in deutscher Sprachfassung (Dolby Digital 2.0) vor, wobei mitunter die DVD leider nur eine dürftige Tonqualität bietet, da oft die deutsche Sychronisation übersteuert daher kommt. Der französische Ton klingt deutlich wärmer und stimmiger. Bonus-Material gibt es zu „Xanadu“ leider überhaupt nicht.
Wer sich für gutes europäisches Fernsehen und eine qualitativ hochwertige Serie begeistern kann, wird von „Xanadu“ bestimmt nicht enttäuscht werden. Wer eher Action oder echten Schmuddel erwartet, sollte in der Videothek hinter den Vorhang gehen, und sich da eine DVD aussuchen.

Pascal May