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Blutmond

Harry Hole hat seiner Heimat den Rücken gekehrt und alle Brücken abgebrochen. Sein Weg führte nach Amerika. Als einer von vielen Gestrandeten trinkt er sich in Los Angeles fast zu Tode. Jeder Tag ist nur noch ein je nach Geldlage bestimmter Alkoholkonsum ohne Sinn und Zweck. So war es auch vor drei Wochen, ehe er aus welchen Gründen auch immer einer Frau aus der Bar "Creatures" auf den Parkplatz zur Hilfe eilte. Dort starrte er auf einmal in die Mündung einer Glock 17 und war sich ziemlich sicher, dass er im Lauf der nächsten ein oder zwei Sekunden sterben wird. Ohne Frage wäre ihm das durchaus recht gewesen. Seitdem kreisten jedoch seine Gedanken an jedem Tag, der nun verging, nur darum, jetzt nicht zu sterben. Auslöser war das Zögern des Mannes im Pique-Shirt, der sich vielleicht fragte, ob Harry wohl nur ein lästiges, aber absolut ungefährliches Hindernis sei und damit nicht einmal eine Kugel wert war. Dank dieses Momentes hatte Harry ihn auch schon mit der Faust am Hals getroffen und ihn damit k.o. geschlagen. Denn Lucille, seine ältere Kneipenbekanntschaft, braucht dringend seine Hilfe. Irgendwie erinnert sie Harry an seine Mutter und daher versucht er, ihr zu helfen. Doch woher soll er 960.000 Dollar herbekommen?
Zur selben Zeit werden in Oslo zwei junge Frauen ermordet. Vergeblich fordert Kommissarin Katrin Bratt den Einsatz von Hole, doch bei der Polizei interessiert sich keiner mehr für den Spezialisten für Mordserien. Nur der Immobilienmakler und Multimillionär Markus Roed, selbst tatverdächtigt, interessiert sich für ihn. Er bietet Harry ein Vermögen, wenn er privat für ihn in dieser Sache ermittelt. Hole geht auf das Angebot ein und sucht sich ein Team aus einem Schulfreund, der mit Kokain dealt, einem korrupten Polizisten sowie einem schwer an Krebs erkrankten Psychologen zusammen. Er hat nur neun Tage Zeit, den Fall zu lösen, während über Oslo ein Blutmond aufzieht.

Jo Nesbo, Jahrgang 1960, ist Schriftsteller, Ökonom und Musiker. Weltweit gehört er zu den erfolgreichsten und renommiertesten Krimiautoren. Bis heute wurden seine Bücher rund 20 Millionen mal verkauft und in 47 Sprachen übersetzt. Einige seiner Romane wurden inzwischen verfilmt.
Jo Nesbo lebt in Oslo.

Mit „Blutmond“ hat Jo Nesbo nun bereits den dreizehnten Fall unseres Helden Harry Hole für die Leserschaft geschaffen. Nach den doch recht düsteren und meinerseits empfundenen besonders depressiven Phasen, getränkt mit extremen Alkoholexzessen, scheint Harry Hole nun Stück für Stück seine Traumata zu überwinden, und seine Fans können nun wieder einen Harry genießen, der mit seiner Ermittlungsqualität einen immer wieder erneut verblüfft. Dazu hat Nesbo genügend Schockelemente wie Parasitismus, Kannibalismus, Drogenkonsum und Kindesmissbrauch in sein neuestes Buch gepackt, die teilweise dann doch schwerere Kost und nicht unbedingt für zarte Gemüter geeignet sind. So sind die 54 Kapitel mir ihren 544 Seiten ein Ermittlungsgenuss und immer wieder mit Wow-Effekten gespickt. Damit ist eine hervorragende Grundlage für Lesesucht gelegt und man „suchtelt“ sich von Kapitel zu Kapitel. Ich war immer wieder, meiner Meinung nach, dem Täter auf der Lesespur, doch Nesbo wäre nicht Nesbo, wenn er einen nicht geschickt in eine falsche Richtung führen würde, ehe er einem, dank seiner verblüffenden Wendungen, eine neue Spur übergibt. Aber wir haben ja Harry, der einen dann letztendlich doch in die richtige Richtung hinsichtlich der Falllösung mitnimmt. Ein fulminanter Schluss und ich kann nur sagen: Her mit Fall Vierzehn, aber möglichst bald!

Michael Müller
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