Artikeldienst Online

Papst Franziskus: Ein Mann seines Wortes

Filme über Päpste gibt es viele. Zumeist versuchen die Filmemacher, sich dem jeweiligen Papst zu nähern, scheitern aber schon bei den Anfragen an den Vatikan. Bei Wim Wenders war es anders, denn bei ihm kam die Anfrage aus dem Vatikan, ob er sich vorstellen könnte, einen Film über Papst Franziskus zu machen. Herausgekommen ist ein bemerkenswert unaufgeregter Film über einen beeindruckenden Menschen, der nun auf BluRay und DVD für das Heimkino vorliegt.

"Warum wolltest Du Papst werden?", wird Franziskus von einem kleinen Mädchen gefragt. Nach kurzer Bedenkzeit versucht Franziskus zu erklären, dass er es gar nicht wollte, dass man dafür ausgewählt wird. "Wieso verzichtest Du auf ein Leben im Luxus und auf große Autos", möchte ein anderes Mädchen wissen. Hierzu erklärt der Papst, dass es so viel Armut auf der Welt gibt, und da würde es uns allen anstehen, etwas mehr in Armut zu leben. Schließlich stehe die Armut im Zentrum des Evangeliums, und darum verzichte er auf Luxus und Reichtum. Im Vatikan liest er den Kardinälen die Leviten, wenn er sagt, dass selbst Priester von der Krankheit der Raffgier, des gedanklichen Alzheimer, der Eitelkeit, der Unsterblichkeit oder der Unersetzbarkeit befallen sind. Den Staats- und Regierungschefs ruft er zu "Je mächtiger du bist, desto mehr bist du dazu aufgerufen, demütig zu sein".
Wenn Papst Franziskus so etwas sagt, glaubt man es dem gebürtigen Argentinier auch, denn schließlich lebt er es vor. Seinen Namen hat er nicht zufällig gewählt, da er an den Heiligen Franz von Assisi erinnern und ihm nacheifern möchte, der in Armut das Haus des Herrn erneuert hat. So fährt er mit dem Bus oder der Straßenbahn, als wäre es ganz selbstverständlich. Als Oberhaupt der Katholischen Kirche verzichtet er auf ein repräsentatives Fahrzeug, nur einen Kleinwagen akzeptiert er, wenn er größere Strecken zurücklegen muss. Damit fällt er insbesondere inmitten der gepanzerten Limousinen voller Sicherheitskräfte auf, wenn er im Ausland zu einem Staatsbesuch unterwegs ist.

Schon kurz nach seiner Wahl wurde klar, dass hier ein ganz neuer Papst in den Vatikan eingezogen ist, ein Erneuerer, der daran erinnert, worum es wirklich in der Welt geht. Einer, der sich auch nicht davor scheut, längst abgehobene Kirchenvertreter und Gläubige zurückzuholen. Er spricht Handlungsfelder und Probleme der Welt direkt und sehr deutlich an. Vor allem, wenn er über Arbeitslosigkeit, insbesondere bei Jugendlichen, redet ("Arbeitslosigkeit raubt uns unsere Würde, wir müssen für unsere Würde kämpfen") oder vom Zustand der Schöpfung ("Wenn ich gefragt werde, wer der Ärmste der Ärmsten der Armen ist, dann gibt es nur eine Antwort: Mutter Erde. Denn wir haben sie missbraucht und geplündert. Niemand kann sagen, ich habe nichts damit zu tun. Wir alle sind verantwortlich!").

Nie zuvor ist ein so intimes Portrait eines Papstes gelungen, was natürlich vor allem daran liegt, dass nicht der Filmemacher Wim Wenders an den Vatikan herangetreten ist sondern der Vatikan an ihn. Das hat ihm seine Arbeit, nach Absprache der Produktions-Möglichkeiten, deutlich vereinfacht, denn das Filmteam hatte Zugriff auf sämtliche Film- und Fernsehaufnahmen des Vatikan-Fernsehens und die Unterstützung der Kommunikationsabteilung. Dem Papst wurde ein Katalog von 50 Fragen übergeben, die in jeweils zweistündigen Interviews abgearbeitet wurden. Seine Ausführungen wirken dem Zuschauer gegenüber sehr viel persönlicher, weil das Oberhaupt der Katholischen Kirche unmittelbar in die Kamera spricht und so ein direkter Blickkontakt entsteht.

Neben den Interviews, in denen der Papst sehr klar auf die Fragen des Regisseurs eingeht, zeigt "Papst Franziskus: Ein Mann seines Wortes" zahlreiche Aufnahmen von seinen Reisen auf der ganzen Welt, aus Staatsbesuchen, Empfängen und Reden, die er selbst im Alter von 81 Jahren ohne erkennbare Schwierigkeiten und stets gut gelaunt meistert. Selbst eine improvisierte Pressekonferenz mit dem Papst im Flugzeug wird gezeigt, als ihm auch unbequeme und delikate Fragen gestellt wurden, darunter auch die Frage nach Homosexualität ("Niemand soll wegen seiner Neigung ausgegrenzt sondern in die Gesellschaft integriert werden") oder zu Kindesmissbrauch durch Priester ("Es gibt null Toleranz gegen Pädophile. Priester, die dieses Problem haben, müssen von ihrem Amt enthoben und bestraft werden. Es gibt keinen anderen Ausweg"). Treffen mit anderen religiösen Oberhäuptern, Gefangenen, Politikern und Kranken werden ebenso gezeigt wie der Besuch des Papstes in der jüdischen Gedenkstätte Yad Vashem. Doch sind es insbesondere die Begegnungen mit einfachen Menschen, mit Gläubigen und Nicht-Gläubigen, in denen er richtig aufblüht. Klar wird, dass Franziskus ein neugieriger Mensch ist, der mit allen redet und nicht nur Katholiken anspricht. Ebenso klar ist, dass er ein sehr politischer Papst ist, der Themen klar und offen anspricht, die ihn beschäftigen ("Es ist unsere Aufgabe, den Waffenhandel zu stoppen").

BluRay und DVD dieser Dokumentation erscheinen in einer limitierten Edition im hochwertigen Schuber, der neben dem Film auch ein 48-seitiges Buch mit dem Transkript der gesamten Doku enthält. Erhältlich ist der Film, der beim diesjährigen Filmfestival in Cannes seine Premiere feierte, in einer deutschen, französischen und italienischen (DTS Digital 5.1) sowie einer englischen Sprachfassung (DTS-HD Master Audio 5.1 und DTS Digital 5.1). Bonus-Material gibt es jedoch keines.

Obwohl "Papst Franziskus: Ein Mann seines Wortes" erst seit Juni in den deutschen Kinos läuft, ist er der erfolgreichste Arthausfilm des Jahres. Das kommt vor allem daher, weil es dem 73-jährigen ehemaligen Katholiken Wim Wenders in diesem Film gelungen ist, den Papst als das zu zeigen, was er ist: ein bescheidener Mensch, der neugierig auf die Menschen und die Welt ist, aber auch selbst durch seine unaufgeregte Art neugierig auf die Person hinter dem Amt macht. So spricht nicht nur der Papst sondern auch der Film nicht nur Katholiken an und gibt einen interessanten Einblick in seine Arbeit und seine Gedanken hinter den Mauern des Petersdoms. Das alles zusammen und die direkte Art, in der die Zuschauer vom Oberhaupt der Katholischen Kirche angesprochen werden, machen den Film zu einem besonderen und ganz persönlichen Erlebnis, der auch Nicht-Gläubige beeindruckt. Absolut sehenswert!

Pascal May
Weitere interessante Artikel