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Raum

Als im Jahr 2006 der Fall von Natascha Kampusch und 2008 der Fall Josef Fritzl bekannt wurden, die sich in den vergangenen Jahren in Österreich ereignet hatten, gab es weltweit großes Entsetzen. Ratlosigkeit machte sich breit, wie es sein könnte, dass unbemerkt Menschen über Jahre hinweg verschwinden können, diese eingesperrt und sogar vergewaltigt werden, dass ihnen jegliches Leben und teilweise sogar Sonnenlicht genommen wird, damit ein Mann seine Macht ausspielen kann. Die Fälle sind in kulturell mehrfach aufgegriffen worden, darunter auch von der gebürtig irischen Autorin Emma Donoghue. Sie hat, angelehnt an den Fritzl-Fall, ihr Buch "Raum" geschrieben, für das sie auch umgehend nach dessen Veröffentlichung ein Drehbuch schrieb, das verfilmt und mit zahlreichen Preisen ausgestattet wurde. Nun liegt dieser Film auch für das Heimkino vor.

Joy war 17 Jahre alt, als sie entführt wurde. Seit dem wird sie in einem fensterlosen, nur neun Quadratmeter großen Raum gefangen gehalten, der über ein Oberlicht nur den Himmel frei gibt. Dort wird sie regelmäßig von ihrem Peiniger heimgesucht, der dann mit ihr schläft. Aus dieser Verbindung entspringt der inzwischen fünfjährige Jack, ein trotz aller Umstände lebensfroher Junge, der seine Außenwelt oder andere Menschen als seine "Ma" nicht kennt. Durch eine List seiner Mutter gelingt es ihm, das Versteck zu verlassen und Hilfe zu holen, so dass seine Mutter bald gefunden und befreit wird.
Fortan müssen sie sich mit all den Dingen außerhalb des Raums beschäftigen, was für beide nicht einfach ist. Dazu ziehen sie zunächst in ihr Elternhaus, wo Joy aber feststellen muss, dass ihr Zimmer noch unverändert geblieben ist, ihre Eltern aber inzwischen geschieden sind.
Joy hat viel Wut in sich, weil sie wegen ihrer Hilfsbereitschaft überhaupt erst entführt werden konnte. Sie ist wütend auf ihre Freundinnen, die ihr Leben führen konnten, wie sie es wollten.
Jack, der sein Leben lang nur seine Ma und den Raum kannte, muss sich mit der hektischen, lauten und verwirrenden Welt auseinander setzen und darin klar kommen. Ma möchte das jedoch nicht übernehmen.

Der Film liegt auf DVD in der deutschen und der englischen Sprachfassung (Dolby Digital 5.1) vor. An Extras gibt es ein Making Of sowie eine Feauturette über die Nachbildung von Raum.

"Raum" ist ein sehr intensiver Film, der die Zuschauer in diese Enge mitnimmt, und ihnen kaum Luft zum Atmen lässt. Das intensive Spiel der beiden Hauptdarsteller, Brie Larson und Jacob Tremblay, ist mehr als herausragend, und so wurde "Ma" vollkommen zu Recht mit dem diesjährigen Oscar für die beste Hauptrolle ausgezeichnet. Doch auch der gerade erst zehnjährige Jacob, der Jack darstellt, beeindruckt mit der Leichtigkeit seines Spiels.
Zu den weiteren Rollen zählen Joan Allen und William H. Macy, die Joys Eltern spielen.

Im Vergleich zu "3096 Tage", in dem der Fall Kampusch aufbereitet wird, beschäftigt sich "Raum" nur zur Hälfte mit der Gefangenschaft auf engstem Raum. In der zweiten Filmhälfte geht es um die Verarbeitung des Erlebten, wie Joy ihr Leben wieder aufnehmen kann, ob sie in dieser neuen Welt bestehen kann und darin überhaupt leben möchte, in der sie jahrelang so vieles verpasst hat. Es geht darum, wie der kleine Jack in dieser großen, neuen Welt klar kommt, welches Trauma er davon trägt und wie er damit klar kommt.

Diesen Film muss man sehen wollen und man muss auch dafür bereit sein, sonst ist er nur noch schwerer zu ertragen als er ohnehin schon ist. "Raum" ist intensives Arthouse-Kino, das seine Zuschauer nicht unberührt entlässt und noch lange nachwirkt.

Wer dazu bereit ist, in die Abgründe der menschlichen Seele zu blicken, wird mit "Raum" ein herausragendes Werk erleben, das seinesgleichen sucht.

Pascal May
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