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Schachnovelle

Nicht erst seit der ersten deutschen Netflix-Serie "DARK" ist Oliver Masucci ein gefeierter Schauspieler. Dass er zu den besten seines Fachs gehört, zeigt er einmal mehr in der Literaturverfilmung "Schachnovelle", die nun auch für das Heimkino verfügbar ist.

Wien, 1938: Österreich wird vom Nazi-Regime besetzt. Kurz bevor der Anwalt und Notar Dr. Josef Bartok mit seiner Frau Anna in die USA fliehen kann, wird er verhaftet und in das Hotel Métropol, Hauptquartier der Gestapo, gebracht. Kurz vor seiner Festnahme hat er Bartok versucht, Unterlagen zu vernichten, da er als Vermögensverwalter des Adels Geld ins Ausland transferiert hat, zu dem nur er Zugang durch benötigte Bank-Codes hat. Diese Codes soll er dem Gestapo-Leiter Böhm übergeben, damit die Nazis über das versteckte Geld verfügen können. Da Bartok sich weigert, die Codes herauszugeben oder überhaupt mit den Nazis zu kooperieren, kommt er in Isolationshaft. Er kann mit niemandem reden, kann nichts lesen, keine Musik hören oder überhaupt Kontakt zu irgendwem halten. Die Tage und Nächte voller Langeweile zermürben Bartok und so verschwimmen Traum, Wahn und Realität immer mehr. Er weiß nicht einmal mehr, wie lange er schon in Haft ist. Seine Verzweiflung in der Isolation wird immer größer, bis er durch Zufall an ein Buch kommt, das ausschließlich Schachpartien aufführt. In seiner Verzweiflung beginnt er, gegen sich selbst zu spielen.

Der Film liegt auf BluRay in der deutschen Sprachfassung (DTS-HD MA 5.1) vor. An Extras finden sich drei sehr kurze Featurettes über den Film und die Literaturvorlage von Stefan Zweig.

Generationen von Abiturienten haben die "Schachnovelle" gelesen und in Hausarbeiten und Klausuren darüber geschrieben. Erstmals erschien das Buch von Stefan Zweig 1942 in Portugal, in Deutschland erschien es erstmals 1974 als Taschenbuch und hat sich seit dem über eine Million Mal verkauft. Im Prinzip handelt der Roman von den psychischen Abgründen während einer Gefangenschaft und der Folge von Isolation als Werkzeug der Folter. Die Geschichte wird irgendwann so komplex, dass man kaum mehr nachvollziehen kann, was denn nun die Realität und was Traum oder Wahn ist. Selbst die Namen der handelnden Personen ändern sich, ebenso wie die Zeit und die Orte, in denen sich die Geschichte abspielt. Es erfordert also einige Mühe, der Handlung folgen zu können, die wohl historisch an das Schicksal von Louis Nathaniel von Rothschild angelehnt zu sein scheint.

Regisseur Philipp Stölzl, der neben seiner Regiearbeit für den internationalen Film "Der Medicus", vor allem aber für seine Inszenierungen zahlreicher Musikvideos und Opern bekannt ist, hat für "Schachnovelle" ein hochkarätiges Schauspiel-Ensemble vereinen können. Die Hauptrolle des Notars spielt Oliver Masucci, der für diese Rolle mit dem Bayerischen Filmpreis 2020 ausgezeichnet wurde. An seiner Seite spielen neben Birgit Minichmayr und Albrecht Schuch auch Rolf Lassgard, Andreas Lust und Samuel Finzi.

Die deutsch-österreichische Co-Produktion zeichnet sich durch eine sperrige Handlung in düsteren Bildern aus, der nicht leicht zu folgen ist. Es gibt kaum Erklärungen, wann und wo die Handlung spielt, wer die Figuren sind und in welcher Beziehung sie zueinander stehen.
Letzten Endes will der Film sehr viel, schafft es aber nicht, durch neue Sichtweisen zu überraschen und so bleibt es bei einer modernen Filmadaption der "Schachnovelle". Interprätationsmöglichkeiten liefert der Stoff in vielfältiger Weise, jedoch werden die hier kaum genutzt, und so spielt der Protagonist gegen sich selbst und das Böse Schach.

Auch dieser Film ist der Pandemie weitgehend zum Opfer gefallen, und war daher kaum an den Kinokassen präsent. Wer sich für die Literaturverfilmung interessiert, kann sich den knapp zweistündigen Streifen zuhause ansehen.

Pascal May