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Der Mauretanier - (K)Eine Frage der Gerechtigkeit

Die Anschläge des 11. September jähren sich zum 20. Mal, ein Ereignis, das die Welt, insbesondere aber die USA traumatisiert hat. Danach hat der "Krieg gegen den Terror" begonnen, und so wurden unter anderem massiv in die Freiheitsrechte der Menschen eingegriffen. Die USA wollten Rache nehmen. Rache an den "Schurkenstaaten", Rache an den Beteiligten der Anschläge auf das World Trade Center und das Pentagon. Dazu wurde im "Camp Justice" das inzwischen berüchtigte Gefängnis am Guantanamo Bay eingerichtet, kurz auch Gitmo genannt, wo knapp 800 Terroristen ohne Prozess gefangen gehalten wurden. Nur wenig ist über die Zustände dort bekannt, was sich änderte, als Mohamedou Ould Slahi sein Guantanamo-Tagebuch veröffentlichte. Der Film "Der Mauretanier - (K)Eine Frage der Gerechtigkeit" erzählt seine wahre Geschichte.

Mohamedou Ould Slahi wandte sich kurz nach den Anschlägen des 11. September 2001 an die mauretanischen Behörden, um Fragen zum Millennium-Komplott zu stellen. Daraufhin wurde er von der mauretanischen Polizei zum Gespräch gebeten, sieben Tage lang festgehalten und von mauretanischen Beamten und Agenten des FBI befragt. Danach wurde er durch die CIA in ein jordanisches Gefängnis verbracht, wo er acht Monate lang festgehalten und nach Slahis Aussage von den Jordaniern gefoltert wurde. Nach einer Überführung nach Afghanistan, wo er zwei Wochen lang festgehalten wurde, wurde er am 4. August 2002 in das Internierungslager Guantánamo Bay in Kuba verschleppt. Ohne formelle Anklage wird er dort weiter befragt, da man ihn für den Organisator der Anschläge in New York hält, nachdem ihn angeblich ein Mithäftling belastet hat. Als er darauf beharrt, dass er damit nichts zu tun hat, wird er 70 Tage lang "erweiterten Verhörmethoden", die durch die US-Regierung gebilligt wurden, gefoltert, damit er ein Geständnis ablegt.
In Washington wird Stuart Couch als Chefankläger für den Fall eingesetzt, dem aber bald Zweifel an Mohamedous Schuld kommen. Die Aktivistin Nancy Hollander wird auf den Fall aufmerksam gemacht, und vertritt Mohamedou als dessen Rechtsanwältin in dem bevorstehenden Prozess. Ihre Arbeit wird ihr mit allen Mitteln erschwert, die der US-Regierung zur Verfügung stehen, da deren Ziel klar ist: Man will der US-Bevölkerung einen Schuldigen präsentieren, den man für die Anschläge des 11. September verantwortlich machen und hinrichten kann.

Der Film liegt auf BluRay in der deutschen und englischen Sprachfassung (DTS-HD MA 5.1) vor. An Extras finden sich neben einem Making Of und Interviews mit dem Regisseur noch ein Premierenclip der Weltpremiere in Mauretanien sowie entfallene Szenen.

Sicherlich erscheint "Der Mauretanier - (K)Eine Frage der Gerechtigkeit" nicht zufällig zum 20-jährigen Gedenken an die Anschläge des 11. September. Er zeigt das Ausmaß, in dem ein traumatisiertes und bis ins Mark verletztes Land eine Paranoia entwickelt, mit der es jeden potenziell Verdächtigen unter Generalverdacht stellt und grundlegende Freiheitsrechte außer Kraft setzt, wenn es dem Land und der Wahrheitsfindung dient. So wurden knapp 800 Menschen von US-Behörden nach Guantanamo verbracht und dort ohne formelle Anklage jahrelang gefangen gehalten und gefoltert. Obwohl internationale Organisationen immer wieder darauf verwiesen, dass es sich hierbei um Kriegsgefangene nach den Statuten der Genfer Abkommen handelt, wurde dies von US-Seite verneint oder gänzlich ignoriert. Menschenrechte für Gefangene schienen in diesem Internierungslager komplett außer Kraft gesetzt worden zu sein. Auch ist es trotz Ankündigung des US-Präsidenten auch der Obama-Regierung nicht gelungen, dieses Internierungslager zu schließen.
Die Aktivistin und Strafverteidigerin Nancy Hollander, im Film brillant dargestellt von Jodie Foster, hat eher zufällig vom Fall des Mauretaniers erfahren und hat ihn bis zu dessen Entlassung vertreten. Von Seiten der US-Regierung erhielt sie fast sämtliche Akten geschwärzt, die somit für eine erfolgreiche Verteidigung ihres Mandanten unbrauchbar waren. Erst nach einem Gerichtsbeschluss erhielt sie vollständige Akteneinsicht. Sie war es, die die Idee zum "Tagebuch aus Guantanamo" hatte.
Der Gefangene 760, wie Mohamedou Ould Slahi in Guantanamo genannt wurde, wird herausragend vom französischen Schauspieler Tahar Rahim dargestellt, so dass der Zuschauer nicht anders kann als mit ihm mitzufühlen. Der amerikanische Chefankläger Stuart Couch wird vom britischen Mimen Benedict Cumberbatch dargestellt, der den Film mitproduziert hat, die amerikanische Schauspielerin Shailene Woodley spielt Hollanders Mitarbeiterin Teri Duncan.

Hier geht es vor allem um die moralische Verantwortung der USA in ihrem blinden Blutrausch, den sie "Kampf gegen den Terror" nennen. Der Verantwortung, der sie sich bis heute nicht stellt, sich nicht für Fehler entschuldigt oder überhaupt erst Fehler zugibt.

Der Schotte Kevin Macdonald wurde vor allem durch Dokumentationen bekannt, bevor er Spielfilme und Serien, wie "The Last King Of Scotland" oder "11.22.63", inszenierte. Für "Der Mauretanier - (K)Eine Frage der Gerechtigkeit" ließ er Guantanamo in Südafrika nachbauen, wobei Slahi wie auch Hollander, die die Dreharbeiten begleiteten, von der originalgetreuen Umsetzung des Filmsets beeindruckt waren.

Bedingt durch die Corona-Pandemie war dem Film kein wirklicher Kinostart beschert, hier und da wurde er in Open Air-Vorstellungen gezeigt, ging aber zumeist unverdient unter. Zumindest hatte er seine Deutschlandpremiere als „Special Gala“ im offiziellen Berlinale-Programm 2021 und durfte die Berlinale Sommer Events eröffnen. In einigen Ländern lief "Der Mauretanier - (K)Eine Frage der Gerechtigkeit" immerhin bei Amazon Prime, und nun liegt er auf BluRay und DVD für das deutsche Heimkino vor.

Im Rahmen der zahlreichen Rückblenden und Gedenken an die schrecklichen Ereignisse des 11. September sollte nicht ausgeblendet werden, wie die USA mit dem "Kampf gegen den Terror" gehandelt hat, um an den "Schurkenstaaten" Rache zu nehmen, und militärische Handlungen sowie das Aussetzen von Freiheitsrechten zu legitimieren.
Mohamedou Ould Slahi wurde bis Oktober 2016 gefangen gehalten und durfte danach wieder in sein Heimatland Mauretanien ausreisen. Von den 779 in Guantanamo Bay inhaftierten Gefangenen wurden bisher nur acht verurteilt, wobei drei Verfahren in der Berufung aufgehoben wurden.

"Der Mauretanier - (K)Eine Frage der Gerechtigkeit" beeindruckt durch seine teils drastischen Folter-Bilder und lässt seine Zuschauer aufgewühlt zurück. Es ist ein sehr wichtiger Film, der ganz sicher keine leichte Unterhaltung darstellt und somit für einen netten Samstagabend wegfällt. Sehen sollte man diesen Film dennoch, wegen der politischen Brisanz, der aufgedeckten Maßnahmen in Guantanamo und wegen der herausragenden schauspielerischen Leistung aller Darsteller, die sich ausnahmslos für zahlreiche Schauspielpreise empfehlen!

Pascal May