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Thirteen - Ein gestohlenes Leben

Der Fall Natascha Kampusch, die als 6-jährige entführt und jahrelang von ihrem Entführer gefangen gehalten wurde, löste nach Bekanntwerden international großes Entsetzen darüber aus, wie ein Mensch so etwas einem Kind antun kann. Seit dem sind immer wieder solche Fälle bekannt geworden, in denen entführte Kinder oder Familienangehörige jahrelang gefangen gehalten wurden. Nachdem die Medien darüber berichtet hatten, war der Weg in die Fiktion für Film und Fernsehen nicht mehr weit. Prominente Beispiele dafür sind die Spielfilme "3096 Tage", basierend auf den Erinnerungen von Natascha Kampusch, und das mit dem Oscar ausgezeichnete Werk "Raum". Die britische BBC hat nun mit "Thirteen - Ein gestohlenes Leben" eine Mini-Serie produziert, die nun in Deutschland auf DVD erscheint.

Ivy ist gerade einmal 13 Jahre alt, als sie zusammen mit ihrer besten Freundin die Schule schwänzt. Als sie ihre Freundin nicht am verabredeten Ort antrifft, zieht sie zu Fuß los. Dabei wird sie entführt. Ihr Entführer lebt unter verschiedenen Identitäten jahrelang unbehelligt, arbeitet sogar in Ivys Schule. Erst nach 13 langen Jahren der Gefangenschaft im Keller des Entführers gelingt Ivy letztlich die Flucht. Nach all den Jahren ist sie wieder zurück im Leben, woran sich ihr Umfeld erst gewöhnen muss. Ihre Eltern leben getrennt, Ivys kleine Schwester steht kurz vor ihrer Hochzeit und auch ihre Jugendliebe Tim ist inzwischen verheiratet. Für sie hat sich gefühlt nicht viel verändert, da sie all die Zeit mit ihren Erinnerungen als Teenager gelebt hat. Allen Seiten fällt es schwer, sich an die neue Situation zu gewöhnen und damit fertig zu werden. Dazu kommen die umfassenden Ermittlungen der Polizei, die alles darauf ansetzt, den Entführer zu fassen, um ihn vor Gericht zu bringen. Bei diesen Recherchen stoßen die Ermittler auf Ungereimtheiten, die selbst Ivy nicht erklären kann oder will. Doch was steckt hinter Ivys Erinnerungslücken und den ungeklärten Vorgängen während der Zeit der Gefangenschaft? Will Ivy ihren Entführer schützen? Was ist wirklich in diesen 13 Jahren geschehen?

Die fünf Folgen der Mini-Serien liegen auf DVD in der deutschen und englischen Sprachfassung (Dolby Digital 5.1) vor. An Extras finden sich die beiden Featurettes "Wer ist Ivy Moxam?" und "Thirteen - Ein Einblick".

Im Vergleich ähnlicher Produktionen zu diesem Thema beginnt "Thirteen - Ein gestohlenes Leben" nicht mit der Entführung sondern mit Ivys Flucht aus ihrem Gefängnis. Der Fokus wird in dieser Serie auf das Leben nach der Gefangenschaft gelegt. Ivy, herausragend intensiv und zerbrechlich gespielt von Jodie Comer, trifft nach ihrer 13 Jahre währenden Gefangenschaft wieder auf ihre Familie. In dieser Zeit haben sich ihrer Eltern getrennt, was vor Ivy geheim gehalten werden soll, um ihr einen Wiedereinstieg in ein normales Familienleben vorzugaukeln. Insbesondere Mutter Christina will unmittelbar an den Zeitpunkt der Entführung anknüpfen und sieht in der inzwischen 26-jährigen Tochter noch immer das Kind. Weil Ivy all die Jahre nur von ihren Erinnerungen gelebt hat, ist sie erschüttert, als sie herausfindet, dass ihre Jugendliebe Tim nun verheiratet ist und sich auch alle anderen aus ihrem Umfeld weiter entwickelt haben. Durch die intensiven Ermittlungen der Polizei erfährt der Zuschauer Stück für Stück, was in den vergangenen 13 Jahren im Haus des Entführers passiert ist, was die Serie umso spannender macht.

Die in Deutschland kaum bekannten, aber hervorragend besetzten Darsteller zeigen ein sehr intensives und überzeugendes Spiel, das zusammen mit dem ausgefeilten, außerordentlich fesselnden Drehbuch "Thirteen - Ein gestohlenes Leben" zu einem herausragenden Fernseherlebnis macht, wie es kaum besser produziert werden kann. Wer sich auf diesen Fünfteiler einlässt, sollte am besten alle Folgen zu jeweils 52 Minuten am Stück sehen, da man anders ohnehin keine Ruhe finden wird, bis zum Schluss alle losen Enden wieder zusammen gefügt wurden.

Marnie Dickens, die diese Mini-Serie erfunden und geschrieben hat, machte nach Ausstrahlung in der BBC deutlich, dass es keine Fortsetzung dieser Geschichte geben wird. Die braucht es auch nicht, da dieses Fernseh-Erlebnis in seinen fünf Episoden bei seinen Zuschauern einschneidend genug und nah an der Belastungsgrenze ist.

Absolut sehenswert ist die in Bristol gedrehte TV-Serie "Thirteen - Ein gestohlenes Leben" auf jeden Fall, aber unberührt wird sie keinen Zuschauer lassen!

Pascal May
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