Den meisten Menschen ist „Doctor Who“ ein Begriff, existiert die Serie doch schon gut fünfzig Jahre und sorgt mit immer neuen Abenteuern in Raum und Zeit für Spannung.
Doch was ist eigentlich mit den Menschen, den Dingen, die zurückbleiben, nachdem sich der „Doctor“ mit seiner Tardis wieder auf den Weg macht und mit seinem jeweiligen Companion weiterzieht? Genau dieser Frage stellt sich die Serie „Class“.
Patrick Ness, Erfinder der Serie, wollte nicht „einfach nur“ für „Doctor Who“ schreiben. Er wollte etwas Neues probieren, weiter gehen als das, was man von „Doctor Who“ kennt. Und somit bringt er den Zuschauer an die „Coal Hill“, die Schule, die schon in diversen Folgen von „Doctor Who“ Schauplatz der Geschehnisse war. Hier haben sich durch die vielen nicht-irdischen Ereignisse Risse in Raum und Zeit aufgetan, welche für den ein oder anderen Zwischenfall sorgen.
In der Serie begleitet man Charlie Smith (Greg Austin), Ram Singh (Fady Elsayed), April MacLean (Sophie Hopkins), Tanya Adeola (Vivian Oparah), Mateusz Andrzejewski (Jordan Renzo) sowie Miss Quill (Katherine Kelly), die sich mit diesen Zwischenfällen konfrontiert sehen.
Die erste Staffel der Serie liegt auf drei DVDs in der deutschen und der englischen Sprachfassung (Dolby Digital 5.1) vor. An Extras finden sich auf der Silberscheibe neben einem Making Of zahlreiche Deleted Scenes und Interviews mit Cast und Crew.
Was einem gleich zu Beginn auffällt ist, dass es in dieser Serie zum Teil viel blutiger zugeht als bei „Doctor Who“. Dies mag im ersten Moment überraschen, da man solche Szenen bisher nicht gewohnt ist. Jedoch passt es in das Gesamtkonzept. Es wird nichts geschönt, nichts zensiert. Denn genau darum geht es bei „Class“. Zu zeigen, was passiert, wenn kein „Doctor“ zu Hilfe eilt, um die Menschheit mal wieder zu retten. Wenn Menschen eben einfach durch Aliens sterben, gehäutet, gefressen oder einfach nur getötet werden und einfache Normalsterbliche den Kampf aufnehmen müssen.
Dies mag sich jetzt sehr düster und schwermütig anhören. Allerdings hört es sich nur so an. Denn ganz in bekannter Manier macht die Serie vieles durch den Humor, die Ironie, den Sarkasmus, wett.
So kann es passieren, dass zwar gerade jemand getötet wurde, aber ein entsprechender Spruch den Zuschauer trotz der schlimmen Situation schmunzeln lässt. Dies ist in keiner Weise als pietätlos oder despektierlich zu sehen. Von den Charakteren wird das Schlimme auf jeden Fall als solches wahrgenommen. Aber die Art der Äußerung zeigt nur auf, dass es sich trotz allem um Menschen handelt, die vielleicht durch die lockere Art das ein oder andere kompensieren wollen. Um eben nicht durchzudrehen, weil sie gerade mitansehen mussten, wie jemand gehäutet wurde.
Der Grund für dieses Verhalten ist simpel. Zwar hat die Serie ein gehöriges Maß an Fantasy und Aliens wie z.B., dass Charlie eigentlich der Prinz eines ausgelöschten Volkes ist, der letzte Überlebende seiner Art, und Miss Quill, die sich als Kämpferin der Revolution herausstellt, als Strafe zu seiner Beschützerin auserkoren wurde, kontrolliert durch ein kleines Alien in ihrem Hirn, welches verhindert, dass sie Charlie etwas antut. Oder auch, dass April sich ihr Herz mit dem Schattenkönig teilt.
Aber letzten Endes ist dieser Fantasy-Part nur ein Teil des ganzen Konzepts. Auch alltägliche Dinge und Probleme, die Teenager durchmachen müssen, sind ein essentieller Bestandteil der Serie. Letzten Endes sind es zumeist eben doch nur Menschen.
Und genau das macht den Unterscheid aus, so dass „Class“ seinen Ursprung zwar in „Doctor Who“ hat, aber doch am Ende eine eigenständige Serie darstellt.
Denn Patrick Ness schafft es, beide Teile aus Realität und Fiktion miteinander in dem genau richtigen Verhältnis zu mischen, so dass die Charaktere lebensecht wirken. Man kann sich in jeden von ihnen hineinfühlen. Man leidet mit ihnen bei Liebeskummer, bei Familienproblemen. Man versteht ihre Sorgen und Nöte, ihre Probleme mit dem Erwachsenwerden, sich Verlieben, schulischem Versagen und vielem anderen, was natürlich nicht aufhört, nur weil „mal wieder“ eine Alien-Invasion droht.
So hat jeder Charakter seine eigene Hintergrundgeschichte, seine eigene Familie, was zu großen Teilen mit in die Geschichte, in die Handlung, einfließt. Man erkennt sich als Zuschauer zum Teil in gewissen Charakterzügen und Handlungsweisen aus der eigenen Teenagerzeit wieder, so dass man noch näher an den Geschehnissen ist und vielleicht unterbewusst die Frage aufkommt, was man selbst in dieser Situation getan hätte.
Grundsätzlich verfolgt man als Zuschauer in acht Episoden somit die Geschichte von fünf Teenagern, die allerdings nicht ganz so normal ist wie das, was man von klassischen „High-School Stories“ kennt. Ziemlich schnell nimmt die Handlung an Fahrt auf. Es wartet nicht einfach nur ein neuer Alien in jeder Folge auf die Charaktere, auch wenn die Macher dies einen aufgrund der Erzählweise und Geschehnisse zwischenzeitlich glauben machen wollen. Schnell wird der Zuschauer eines Besseren belehrt, da doch einiges Unvorhergesehenes passiert. Die letzte Folge, der Höhepunkt der ersten Staffel, schockiert und überrascht und spätestens nach diversen Anspielungen und dem Cliffhanger zu Staffel zwei sitzt man als Zuschauer nur noch kopfschüttelnd vor dem Fernseher und möchte die neuen Fragen, die sich durch die letzten Ereignisse aufgetan haben, geklärt wissen.
All dies macht den Reiz der Serie aus: bodenständige Charaktere, alltägliche Probleme, Aliens und Fantasy. Eine durch und durch gute Mischung.
Das, was man sich beim Erschaffen der Serie vorgenommen hatte, konnte man somit umsetzen. Denn die Frage war ja, was zurückbleibt, sobald der „Doctor“ einen Schauplatz verlassen hat. Die Antwort hierauf ist eindeutig. Normale Menschen, die mit normalen menschlichen wie nicht ganz so normalen außerirdischen Problemen zu kämpfen haben. Aus diesem Grund ist „Class“ nicht einfach nur ein Ableger von „Doctor Who“, sondern eine Serie, die trotz vieler Anknüpfpunkte etwas Eigenes bleibt.
Als Fan von „Doctor Who“ kann ich jedem diese Serie nur ans Herz legen, da sie eben altbekannte Elemente wie auch den Reiz von neuen Ideen optimal kombiniert und somit eine gute und spannende Abendunterhaltung bietet.
UK 2016, 360 Minuten
mit Greg Austin, Fady Elsayed, Sophie Hopkins, Vivian Oparah, Jordan Renzo, Katherine Kelly