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Ausgrissn! - In der Lederhosn nach Las Vegas

Roadmovies gibt es jede Menge und dieses Genre erfreut sich seit Jahren großer Beliebtheit. Die Protagonisten dabei zu begleiten, wie sie auf Reisen gehen, ist klar im Trend - vor allem in diesen pandemiebedingten Zeiten, in denen man selbst nicht reisen kann. Ein etwas anderer Roadmovie ist "Ausgrissn! - Mit der Lederhosn nach Las Vegas", der die Brüder Julian und Thomas Wittmann auf ihrer Fahrt auf zwei Mopeds nach Las Vegas und ihre Erlebnisse auf ihrer langen Reise zeigt. Nachdem der Film in der kurzen Zeit gezeigt werden konnte, in der die Kinos offen waren, und dort zahlreiche Besucher verzeichnen konnte, erscheint er nun für das Heimkino auf DVD.

Sie leben in ihrem Dorf Lengdorf im oberbayerischen Landkreis Erding, wo alles vorbestimmt zu sein scheint, wo alles klein und eng ist, wo jeder jeden kennt. Die Brüder Julian und Thomas Wittmann, damals 25 und 22 Jahre alt, träumen von einem großen Abenteuer, das so verrückt ist, dass sie es einfach erleben müssen. Im Jahr 2018 schmeißen sie ihr Studium und kündigen ihre Anstellung, lassen ihre Freunde und Familien in ihrer bayerischen Heimat zurück, und wollen die Neue Welt erobern - auf zwei knapp 50 Jahre alten Zündapp C50 Super-Mopeds. Ursprünglich wollten sie auf einem Traktor durch Amerika reisen, haben sich dann aber doch für die Zweiräder entschieden, mit denen sie bei optimalen Bedingungen eine Höchstgeschwindigkeit von 40 km/h erreichen können. So geht es, natürlich in bayerischer Tracht in Janker und Hirsch-Lederhosen gekleidet, auf der Straße bis nach Antwerpen, wo sie die Reise in die USA auf einem Containerschiff antreten, 14 Tage lang sind sie auf dem Ozean unterwegs. Von New York aus geht es immer Richtung Westen, insgesamt wollen sie 12.000 Kilometer zurücklegen. Nachdem ihr Anhänger bereits die Fahrt durch New York nicht übersteht, packen die beiden Biker alles Gepäck auf ihre Mopeds, und nehmen Kurs auf die Route 66. Unterwegs haben sie viel Zeit, sich die Umgebung anzusehen, doch zieht sich die Fahrt auf den pfeilgeraden Straßen doch sehr. Dabei erleben sie jede Menge Regen, Sonne und Hitze, und nachdem sie sich dazu entschieden hatten, nicht mehr als fünf Dollar am Tag für Essen auszugeben, ist die Abwechslung des Proviants eher übersichtlich. Auf ihrer Suche nach Freiheit und Glück treffen sie auf die unterschiedlichsten Menschen, die sie allesamt herzlich aufnehmen, doch manche flößen ihnen auch großen Respekt ein. Unter anderem lernen sie Aussteiger, Hells Angels, Waffennarren und Überlebenskünstler kennen, manchmal auch eine Mischung aus allem. Sie erleben tagelangen Regen, Pannen und Touristenströme am Grand Canyon. In Nashville machen sie Musik, in Tennessee tauschen sie sich mit einem Autoteile-Händler aus, in Washington unterhalten sie sich mit einem Demonstranten über die Freiheit in den USA. In den Weiten des Wilden Westens wird ihnen immer klarer, wie sehr sie ihre bayerische Heimat vermissen, und was sie ihnen bedeutet.

Der Film liegt auf DVD in der deutschen Sprachfassung (Dolby Digital 5.1) vor. An Extras gibt es entfallene Szenen, Social Media-Clips, ein Hinter den Kulissen-Feature sowie das Musikvideo „Bleib gschmeidig“ von DeSchoWieda.

Es ist schon ein ganz besonderes Unterfangen, dem sich die Brüder Julian und Thomas gestellt haben. Ausgerechnet mit zwei alten Mopeds nach Las Vegas zu fahren, erfordert schon eine große Portion Mut, vor allem aber auch Abenteuerlust. Ein Kamerateam ist ihnen in einem Wohnmobil gefolgt, ganz alleine waren sie also nicht unterwegs. Die Erlebnisse werden Tag und Nacht festgehalten: hautnaher Culture-Clash, große Faszination und totale Erschöpfung.

In drei Monaten haben sie die 12.000 Kilometer lange Strecke zurückgelegt, mit 36 Tankfüllungen sind sie auf ihrer langen Reise ausgekommen und haben dabei 17 Pannen mit ihren Mopeds erlebt. Jede Menge Stoff, der erzählt werden kann, vor allem von ihren Begegnungen und Erlebnissen mit den teils sehr skurrilen Menschen, die sie unterwegs getroffen haben. Um sich von anderen Roadmovies hervorzuheben, haben sie dem Film eine Rahmenhandlung verpasst. So beginnt "Ausgrissn! - In der Lederhosn nach Las Vegas" in der Dorf-Gaststätte, wo sie ihren Reisefilm zeigen wollen, müssen dabei aber mit technischen Problemen und ausbleibendem Publikum kämpfen. Auf dem Wirtshaus-Klo erzählen sie der Klofrau, gespielt von der bayerischen Kabarettistin und Schauspielerin Monika Gruber, die selbst aus dem Landkreis Erding stammt, ihre Geschichte, ihre Träume und ihre Abenteuer, die diese mit allerlei Kalendersprüchen quittiert.

Der Film, den die Brüder selbst produziert haben, spart jedoch vieles aus, so zum Beispiel, wie die Idee der großen Reise geboren wurde, wie die Vorbereitung ausgesehen hat, wie sie verabschiedet wurden und wie der Film finanziert wurde. Am Ende bleiben auch viele Fragen offen, da der Film sehr abrupt mit der Ankunft in Las Vegas endet. Auf welchem Weg sind die Brüder wieder nach Hause gekommen, was ist mit den Mopeds passiert, wie wurden sie in ihrer bayerischen Heimat empfangen?

"Ausgrissn! - In der Lederhosn nach Las Vegas" ist ein Road-Movie mit bayerischem Charme und hohem Wohlfühl-Faktor, der seine Zuschauer nachdenken lässt über verpasste Chancen und nicht gelebte Träume.

Pascal May